Die falsche und die richtige Vergebung in der Therapie

Ich habe immer wieder gehört, wenn es um seelische Verletzungen, Traumata und Therapie geht, dass man vergeben muss. Sogar einige Psychologen raten manchmal zu einer voreiligen Vergebung. Den Eltern zum Beispiel zu vergeben, um sich von den Lasten der Vergangenheit zu befreien, um schlechte Erfahrungen aus der Kindheit und deren Wunden oder Narben loszuwerden.

Die Idee ist gut und Vergebung ist ein sehr schönes und wertvolles Gefühl oder eine Idee. Aber es ist nicht so einfach, sie zu erlangen.

Denn um wirklich vergeben zu können, ist es notwendig, vorher sich zu heilen, z. B. während einer Psychotherapie, all diese Gefühle auszudrücken, den Groll, die Wut, die Traurigkeit, die Vorwürfe - gegen sich selbst und gegen diejenigen, die Sie verletzt oder traumatisiert haben - und dann kommt vielleicht die richtige, die ECHTE Vergebung ganz natürlich und fast automatisch, wie ein Loslassen der ganzen Geschichte, der Negativität und des Opfergefühls - was dann eine echte Befreiung ist!

Vor all dem wird es eine falsche Vergebung sein. Die falsche Vergebung sagt: "Du hast mir so sehr wehgetan, ich leide immer noch unter dem, was ich wegen dir durchgemacht habe. Du hast einen Teil meines Lebens ruiniert, ABER ich vergebe dir (trotzdem)". Wenn man sich auf diese Weise zur Vergebung zwingt, kann man sich nicht befreien. Man kann nicht vergeben, um geheilt zu werden, aber wenn man geheilt ist, wird die wahre Vergebung kommen. Vergebung ist das Ende eines Therapieprozesses, nicht der Anfang.

Ich habe sehr schöne Szenen der Vergebung in der Therapie gesehen, selbst bei harten Traumata wie sexuellem Missbrauch, wo die Patientin - nach ihrer gründlichen Therapiearbeit - in der Lage war, ihrem Täter zu sagen (aber eher mental, innerlich): "Ich bin froh, dass ich dahin gekommen bin, wo ich jetzt bin. Es hat mich viel gekostet, aber es hat mir geholfen, die starke Person zu werden, die ich jetzt bin. Ich lasse dich jetzt gehen. Was passiert ist, ist für mich nicht mehr wichtig. Ich hege keinen Groll mehr gegen dich".

Es ist sehr bewegend und schön, Zeuge einer echten Vergebung zu sein!